↓
Meeresgestade, Waldlichtungen, Wegkreuzungen, Schluchten und Grotten: die Landschaft bot dem Musiktheater schon immer eine eindrucksvolle und atmosphärische Kulisse. In Rümlingen nun dreht sie für einmal den Spiess um und setzt sich selber «In Szene» – mit sieben «Landschaftsopern». Auf diese Weise lässt sie sich in einem zwei- bis dreistündigen Rundgang erwandern und dabei erschauen, erhören und ergehen. Die Natur selber, die Umgebung wird zum Spektakel.
Thomas Meyer
TEIL 1: Ruedi Häusermann «Tonhalle»
Eine musik-theatralische Selbstbehauptung
Eine Koproduktion mit der Münchener Biennale für neues Musiktheater und der KlangKunstBühne der Universität der Künste Berlin
Schweizerische Erstaufführung
Gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftung
Just das Herz von Rümlingen, den Platz vor dem Hornburger Stübli, der Gaststätte, in der sich Einheimische und Besucher für gewöhnlich erfrischen und ihr leibliches Wohl suchen, hat sich das Henosode-Quartett auserwählt, um wenige Meter von dem Gastgarten entfernt seine kleine Tonhalle aufzubauen. 2,75m × 5,25m × 2,00m, nicht grösser, nicht kleiner. Das Platzangebot ist limitiert. Noch. Das mobile Gebäude ist ein Versprechen für die Zukunft, es könnte Modell einer weit grösser gedachten Bebauung werden, die, wenn sie auch manche stadtplanerische Konsequenz nach sich zöge, zum absoluten Highlight der Region werden könnte. Publikum und Anwohner werden abzustimmen haben, ob Rümlingen zukünftig dem Lucerne Festival den Rang ablaufen möchte, dank eines Konzerthauses, das in der internationalen Szene seinesgleichen suchen müsste.
Der angekündigte Abend mit der hoffnungsfrohen Adresse «Tonhalle (Neue Dorfstrasse 1a)» gewährt Ihnen Einblick in die Welt der Initiatoren, in die Welt der Musiker des Henosode-Quartetts, die nicht mehr gewillt waren, in der von Kennern gefeierten Randständigkeit auszuharren. Als Geheimtipp gehandelt zu werden adelt, doch führt es auch zur Einsamkeit. Daher fassten sie sich unter der Leitung eines Herrn mittleren Alters mit dem weltläufigen Namen Thomas Douglas ein Herz und stellen fortan ihre Klangwelt der rauen Wirklichkeit, mit allen Konsequenzen. Douglas hat sie gelehrt, keine Widrigkeit ungenutzt zu lassen, jede Störung der unkontrollierbaren Aussenwelt in eine Stärke umzumünzen und sie in den ihnen eigenen musikalischen Ausdruck zu überführen.
Seit seinem ersten Auftritt an der Münchener Biennale für neues Musiktheater 2018 sieht man das Henosode-Quartett mit seinem mobilen Konzerthaus immer wieder auftauchen. Um sich geschart jeweils eine kleine Gemeinde von Laufpublikum. Ein gemeinsames Erschauern, ein gemeinsames Frösteln, feierliche Förmlichkeit. Etwas Leises, Zartes, Gespreiztes nimmt den Raum ein, Klänge, die an das Knarzen von Käfern erinnern, die Grenzen der Töne werden ausgelotet, sie behaupten sich gegen das Rauschen der Welt und justieren die Aufmerksamkeit. Am Ende bleibt die kleine Zuhörerschaft in einem ungeahnt heiteren Zustand der Uneindeutigkeit zurück, erlöst von dem Zweckdienlichen, wehrhaft gegen Unvorhergesehenes.
Ruedi Häusermann berichtet:
Mein Atelier auf dem Goffersberg.
Ein traumhaft verlorener Ort.
Mitten in der Natur.
Es ist das ideale Rückzugsgebiet, um sich die nächsten Streiche auszudenken.
Dann wird der Rucksack gepackt und man schwärmt aus in die Städte.
Oder im Glücksfall direkt an einen andern kostbaren Ort, nämlich ins Baselland unter das Viadukt von Rümlingen.
Auf dem Goffersberg also, da sitze ich im Schatten der Trauerweide, scharf beobachtet vom kriechenden Günsel und der stinkenden Hoffahrt.
Unter der Efeu umrankten Rotbuche fixiert mich der Satanspilz.
Es heisst landläufig, was für uns Musiker der Hall, sei für die Architekten das Efeu.
Petunie – Betonie – Begonie, ich kann’s mir einfach nicht merken.
Eine Nacktschnecke eilt vorbei.
Mitwirkende: Thomas Douglas, Henosode Quartett (Sara Hubrich, Josa Gerhard, Benedikt Bindewald und Christoph Hampe)
Ort: Beim Homburgerstübli. Wir danken dem Homburgerstübli für die Zusammenarbeit.
Daten und Zeiten:
15. und 16. August jeweils 18.00 / 20.00 Uhr
17. August 15.00 / 17.00 / 19.00 Uhr
18. August 11.00 / 15.00 / 17.00 / 19.00 Uhr
Dauer ca. 40 Min.
Preise: CHF 50.– (Gönner) / CHF 30.– Normal / CHF 25.– AHV, Studenten, Lehrlinge. Mit dem Ticket für die «Tonhalle» gibt es eine Ermässigung auf den Rundgang.
Achtung: Es gibt pro Vorstellung eine sehr begrenzte Platzzahl. Bitte Vorverkauf nutzen unter www.kulturticket.ch.
TIEL 2: Rundgang «In Szene»
Landschaften sind eine beliebte Kulisse im Inneren von Opernhäusern. Das Festival Neue Musik Rümlingen geht nun den umgekehrten Weg und trägt die Oper in die Landschaft hinaus, inszeniert sie als Musiktheater, ja macht sie zum eigentlichen Akteur. International bekannte KomponistInnen schaffen zwischen Rümlingen und Buckten sieben neue Landschaftsopern. Das Festivalpublikum begibt sich an zwei Abenden auf eine Wanderung durch diese Inszenierungen von Landschaft und ist eingeladen, der Rümlinger Dramaturgie über Wellen und Täler zu folgen.
Wenn ich aus dem Zug blicke, sehe ich ein anderes Gleis – und gleich darauf einen vorbeifahrenden Zug, dann den dahinterliegenden Teich und dahinter eine grosse Wiese und dann noch den Wald, darüber den Himmel. Dort fliegen vielleicht zwei Engel auf ihrem Weg Richtung Berlin, darunter tanzt Puck um seinen Meister Oberon, davor kämpfen zwei Liebende, die einander in den Rüstungen nicht erkennen, in den Teich steigt eine Nymphe, enttäuscht von menschlicher Untreue, und zuvordest habe ich gerade Einsteins Relativitätstheorie sinnlich erfahren. All das Geschehen, das Gesehene, das Bild treibt Klang in mir auf, bereits erfahrenen und anderen, der mir in der Imagination zufliegt. Ganze Musikgeschichten beginnen sich aus der Landschaft zu lösen, ganze Opern. Die Landschaft setzt sich in Szene, sie selber ist schon Drama, Oper, Musiktheater im Innern und Äussern, bevölkert von vielen Klischees, frischen und faulenden. Die Natur singt, ist meine Scala, meine Met, mein Palais Garnier, mein Festspielhügel …
«In questo prato adorno / Ogni selvaggio num e / Sovente ha per costume / Di far lieto soggiorno.», wie es zu Beginn der Operngeschichte heisst. Auf der lieblichen Wiese versammeln sich die Waldgeister zu fröhlicher Runde, Pan singt ein Liebeslied, und die holden Nymphen pflücken Rosen. Von da ausgehend wurde die Landschaft unterschiedlich bevölkert.
Mit all dem im Gepäck geht das Festival Neue Musik Rümlingen nun hinaus in die Juralandschaft zum Homberg hinauf und wieder hinunter, wandernd und wandelnd, wo sieben KomponistInnen die Landschaft in Szene setzen, auf ganz unterschiedliche Weisen. Das Festival schaut, ob die Waldgottheiten (Marsyas, Syrinx, Echo) noch da sind oder neue – oder andere Gespenster, es übt und trübt den Blick und das Hören, verbindet beides in den Sinnen und entlässt uns wieder aus den Windungen. Oper war schon immer ein Weg, eine Landschaft, eine Anhöhe, ein Abgrund – und ein Entkommen.
- Das Festival beinhaltet eine Wanderung von rund 3 1/2 Stunden.
- Gutes Schuhwerk wird empfohlen.
- Das Festival ist nicht rollstullgängig.
- Das Festival beginnt in Rümlingen und endet nahe Hof Homberg. Von dort gibt es mehrere Varianten, zu Fuss zur S9 zu gelangen oder mit einem Shuttlebus bis Rümlingen zu fahren.
- Wir empfehlen die Anreise mit Bus und Bahn, auf dem Gelände ARPE AG Buckten stehen Parkplätze zur Verfügung.
Barblina Meierhans: «Let’s sit down and enjoy ourselves»
Schweizer Erstaufführung
für drei Blechbläser, Schlagzeug, Hörmaschinen und Knallobst ad libitum
1820 meldete Pater Johann Heinrich August Dunker ein Patent für eine «Hörmaschine mit biegsamem Ohr» an. Dieser Begriff war für mich der Ausgangspunkt, allerdings nicht direkt auf das Patent bezogen, sondern mehr aus der Überlegung heraus: Was wäre, wenn wir die Ohren biegen könnten?
Ich versuche also, mein Ohr zu biegen, drehe den Kopf und sehe jemanden, der da sitzt und spricht. Er spricht und niemand hört ihm zu; oder aber er spricht und hört sich selbst zu; oder er spricht nicht und bewegt sich, als ob er spräche, und ich schaue ihm dabei zu. Ich höre ihn nicht, er wiederum sieht mich nicht.
Es scheint, Hören und Tönen befänden sich in ständiger Wechselwirkung, kaum zeitversetzt. Normalerweise tut oder spielt ein Musiker (blasen und schlagen in dem Fall), das Instrument klingt, die Umgebung resoniert, wir hören wiederum den Schall, der zurückkommt – das hatten wir schon. Was aber, wenn sich die Sache auch andersrum verhielte? Würden die Ohren biegsam, der Schall produktiv und die Umgebung zum Initiant? Das Verhältnis ist komplex: Wir sind gefangen im Widerhall, Mittler bleibt das Instrument. Das Instrument, ein Ding? Ein Körper.
Let’s sit down and enjoy ourselves ist Installation und Stück zugleich, eine Versuchsanordnung, ein Lauschlabor draussen im Freien.
Barblina Meierhans ist im Osten aufgewachsen. Matt hüglig war’s rundum, mit hohen Wiesen und tiefen Wäldern, voralpin – die Berge nur zum Riechen nah. Flora und Fauna gaben ihr Bestes, ansonsten ist da nicht viel zu berichten. War’s schön? Ja!
Mitwirkende: Paul Hübner, Trompete; Samuel Stoll, Horn; Stephen Menotti, Posaune; Bastian Pfefferli, Schlagzeug
Ort: Nach dem Aufstieg
Clara Iannotta: «AS»
for two performers, movement, lights, and electronics
Kompositionsauftrag Festival Rümlingen 2018, Uraufführung
Gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftung
Geboren 1983 in Rom. Studium in Mailand und Paris und an der Harvard University. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Mitwirkende: Clara Iannotta, Emma Iannotta
Ort: In der Scheune
Mauro Hertig: «Die Perfekte Passivität»
für Saxophon, Posaune, Perkussion, klingende Rollkoffer und Modellflugzeuge
Kompositionsauftrag Festival Rümlingen 2018, Uraufführung
Gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftung
Noëmi Schwank
Antonio Jiménez-Marín
Miguel Ángel García Martín
Mauro Hertig
spielen in unterschiedlichen Konstellationen die agierenden Subjekte
Das Anliegen
Die Aktion
Das Resultat
Die Passivität
auf dem Modell-Flugplatz der IG Modellflug Birch in Häfelfingen.
In dieser Oper sind MusikerInnen reisende Menschen mit einem Anliegen. Sie agieren, und ihre Aktion nimmt Einfluss auf die Menschen und Orte, auf die sie treffen. Dabei verwandelt sich im Lauf der ersten Akte das Anliegen zum Schmerz, die Aktion zur Behandlung und das Resultat zur Heilung. Wir gehen vom Flughafen auf die Strasse und von dort direkt ins Behandlungszimmer. Das Anliegen wird zum Krankheitsfall, der jedoch durch Hypnose geheilt werden kann.
Dabei Unterstützung erhalten wir vom US-amerikanischen Psychotherapeuten Thomson Jay Hudson. Über die heilende Wirkung der Hypnose schrieb er in seinem Bestseller von 1893 «The Law of Psychic Phenomena»: «The essential condition of passivity being acquired by the patient, the healer also becomes passive, and assumes the mental attitude of denying the existence of disease in the patient (…) and affirms with constant iteration the condition of perfect healthfulness.»
Wir werden aber nicht nur geheilt. Die Welt, die wir einmal verändern wollten, nimmt uns in ihre Arme und mithilfe der Deutung von paranormalen Tonbandstimmen (auch EVP – Electronic Voice Phenomenon) bekommen wir Zugang zu Botschaften und Wahrheiten aus anderen Zeiten und Sphären.
Aufgewachsen im Dorf. Zur Schule ins Zentrum des Dorfes. Zur Uni in die Stadt. Zur Arbeit in die Grossstadt. Vom Vakuum ins Plenum. Von leise zu laut. Immer mit einem Baum vor dem Fenster, der zum Gradmesser wurde: Da es schwierig zu hören ist, wie laut die Umgebung klingt, stelle ich mir vor, was der Baum vor dem Fenster den ganzen Tag hört, um zu wissen, wie laut es wirklich ist.
Mitwirkende: Mauro Hertig, Idee/Konzept; Jonas Hertig, Umsetzung/Ausführung Rollkoffer-Klangsteg;
Noëmi Schwank, Saxophon und Objekte; Antonio Jiménez-Marín, Posaune und Objekte;
Miguel Ángel García Martín, Percussion und Objekte; Mauro Hertig, Objekte
Ort: Beim Flugfeld Birch
Peter Ablinger: «Nicht-Westliches Hören»
Vom Autofahren, vom Rhythmus der unter mir hindurch ziehenden Mittelstreifen auf der Autobahn, von der Bewegung der sich zueinander verschiebenden Häuserblöcke beim Durchqueren der Städte, von der Anordnung der Häuserzeilen, Strassenlaternen, Baumalleen, Hopfenstangen, an denen ich entlang fahre, während sie sich rasch an mir vorbeidrehen, vom Geblendetwerden durch eine tiefstehende Sonne und vom Glitzern der regennassen Strasse;
Von den Staren, wenn sie sich im Hochsommer zu tausenden auf den Parkbäumen der Städte versammeln;
Vom Lärm in den verschiedenen Situationen, besonders wenn der Lärm aus Vielem besteht und nicht aus einem Verstärkten, also aus vielen Menschen in einer Strassenunterführung und nicht aus einem Lautsprecher im Restaurant;
Vom Lärm also, aber vor allem auch von der Stille, von der Stille, die im Lärm enthalten ist, und von der Stille in der Stille;
Mehr noch vom Schweigen, vom Verschlossenen, vom Unzugänglichen, vom Granitgestein;
Von den Höhlen, vom Umbauten, Umschlossenen, den Röhren und Räumen, Kathedralen, Kinosäalen, U-Bahnschächten, Meeresschnecken;
Von der Krümmung des Meeres und der zarten goldenen Linie, die seinen Horizont beschreibt im Dunst der Bucht von Triest;
Vom Attersee, von seiner Fläche, die mir gleichzeitig sich in die Tiefe erstreckend
und aufgeklappt vor mir stehend erscheint;
Vom Amtssee bei Regen, mit dem Wissen, dass die Ruine von Chorin in meinem Rücken steht;
Vom Regen und vom Wind, vom Regen auf dem Autodach, vom Regen auf meiner ausgestreckten Hand, von den Gräsern und Getreidesorten im Wind, von den Bäumen, dem Wald, vom Schilf, und von allem, was mit Wasser zu tun hat, Bäche, Wasserfälle, Schluchten, Wasserleitungen, ein tropfender Wasserhahn, ein kochender Teekessel, eine Zentralheizung;
Vom Zittern der Fensterscheibe, wenn ein Flugzeug über das Haus fliegt, vom Vibrieren der Gläser im Geschirrschrank, von den im Kofferraum herumliegenden, klappernden Flaschen, von der Erregung des Zwerchfells beim Weinen oder Lachen, von Fieberträumen, von der eigenen Aufgelöstheit bei Stress, vom Niesen.
1. Was tust du gern in deiner Freizeit?
Kräuter Sammeln, oder Wildfrüchte, Pilze, Wildsalate …
2. Welches Wort benützt du am häufigsten?
Wahrscheinlich etwas wie «und», oder «hm» und «ahm», oder «sozusagen» …
3. Was war das letzte Buch, das du bewundernswert fandest.
Bruno Latour: «Existenzweisen»
4. … und welcher Film?
Ich tu mir schwer einen wirklich guten zu erinnern aus der letzten Zeit. Aber viele Jahre früher: «Irreversibel» von Gaspar Noé.
5. Welche anderen künstlerischen Diziplinen interessieren dich?
Architektur, Bildende Kunst, Kochen, Gärtnern
6. Welche Musik berührt dich?
Der Schrei der Mauersegler.
7. Was macht dich wütend?
Kaum etwas. Manchmal Musik.
8. Was macht dich glücklich?
Ernten (siehe Antwort 1)
9. Zu welcher Stadt fühlst du eine besondere Nähe?
Üblicherwiese zu der Stadt, in der ich gerade bin.
10. Gibt es einen Moment des Tages, den du besonders geniesst?
Abendzwielicht.
11. Wie hast du deine Berufung entdeckt.
Ich weiss nicht … ich hab Klavier gespielt, seit ich sechs Jahre alt war, und als ich vierzehn war, hab ich eine kitschige Van-Gogh Biografie gelesen, also über den Mann, der in seinem Leben ein einziges Bild verkauft hat, ohne von seinem Pfad abzuweichen. Spätestens seither wusste ich, was ich wollte.
12. Gibt es irgendeinen fiktionalen Charakter, mit dem du dich identifizieren kannst?
Als ich ein fünf Jahre alter Junge war, gab es einen imaginären Schmetterling, der war mein alter ego, aber heute …?
(Fragebogen des mexikanischen Kunst-Magazins «La Tempestad»)
Peter Ablinger, geboren 1959 in Schwanenstadt/Österreich. Lebt seit 1982 in Berlin.
Mittlerweile bin ich älter geworden und ich benutze immer öfter eine Brille. Mit Brille sehe ich ungefähr so wie früher. Ohne Brille sehe ich weniger, insbesondere die entfernteren Dinge sind verschwommen. Es stellt sich also der Eindruck ein, dass sich der Radius meiner Wahrnehmung verengt, zurückzieht auf den Punkt, von dem aus ich blicke. Es stellt sich der Eindruck ein, als würde ich ohne Brille etwas von der Welt verlieren, was ich mit Brille noch erreichen kann. Der Eindruck (die Täuschung) ist interessant, denn es fragt sich, was wirklich den Unterschied zwischen der (noch besser) erreichten Welt und der nicht mehr (oder weniger gut) erreichten Welt ausmacht.
Hörsituation (mit sieben «Beduinenzelt-Kuben»)
Kompositionsauftrag Festival Rümlingen 2018, Uraufführung
Gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftung
ein anderes Hören
anders hören
mit anderen Ohren hören
etwas anders hören
etwas anderes hören
etwas ganz anderes in der «selben» Sache hören – es gibt keine selbe Sache!
vielleicht ein Hören ohne Objekt
ein Hören ohne Vorauswahl
ohne Richtung
ein zulassendes Hören
– und Zuzulassen ist keine Passivität!
– aber was hier handelt ist nicht unbedingt mehr das Subjekt
also ein Hören ohne Subjekt?
ein Hören ohne Mensch?
– zumindest ohne menschelnden Mensch
ein Wir-Hören?
ein Uns-Hören?
ein Umhören?
ein Aufhören!
Mitwirkende: Anna Geser; Meret Berger; Tee
Ort: Mit Weitblick
Manos Tsangaris: «Die Sonne hat sich inzwischen weitergedreht»
für Stimme, Perkussion, Bäume und Bewegungskünstler
Kompositionsauftrag Festival Rümlingen 2018, Uraufführung
Gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftung
Die Sonne dreht sich, wie die Erde auch, um ihre eigene Achse – dafür braucht sie etwa 26 Tage. Wegen der Bewegung der Erde um die Sonne muss sich diese jedoch noch zwei Tage länger um sich selbst drehen (also etwa 28 Tage), bis sie der Erde wieder genau die gleiche Seite zuwendet. Die Sonne ist gasförmig und dreht sich am Sonnenäquator schneller als in höheren Breiten, braucht dort also auch weniger Zeit für die Drehung um sich selbst. Die 26 Tage sind also ein mittlerer Wert – in den Polgegenden der Sonne dauert die Umdrehung rund 30 Tage, am Äquator dagegen nur 25 Tage. (…)
Die Sonne selbst dreht sich um das «Milchstrassenzentrum» – von diesem ist sie etwa 30 000 «Lichtjahre» entfernt. Als «Milchstrasse» bezeichnet man unsere «Galaxie» – als «Galaxie» bezeichnet man ein System von Sternen, die alle um das gleiche Zentrum wandern. (…)
Um das Milchstrassenzentrum zu umkreisen, braucht die Sonne rund 200 Millionen Jahre – man spricht auch von einem «Galaktischen Jahr».
Die Geschwindigkeit, mit der die Sonne das Milchstrassenzentrum umkreist, beträgt 250 Kilometer pro Sekunde. Zusätzlich bewegt sich die Sonne mit einer Geschwindigkeit von etwa 19,4 Kilometern pro Sekunde in Richtung eines Sterns namens «Wega». Natürlich werden alle Planeten unseres Sonnensystems von der durchs Weltall rasenden Sonne mitgerissen. Sich alle Bewegungen gleichzeitig vorzustellen ist gar nicht so leicht, denn man merkt von ihnen als Mensch auf der Erde bewusst ja gar nichts.
(Quelle: https://www.helles-koepfchen.de/artikel/2894.html)
Ich bin in Haan bei Solingen, am Rand des Bergischen Landes aufgewachsen. Das kommt vom Grafen von Berg. Ein bisschen bergig (oder hügelig) ist es da aber auch. Die Morgen riechen frisch und etwas nach Wald, zumindest, wenn es im Sommer geregnet hat. Falls es aber am Abend nach längerer Hitze endlich beginnt zu regnen, gibt es diesen sehr typischen Geruch von Staub, gemischt mit Wasser, wenn die ersten Tropfen auf dem Asphalt verdunsten.
Mitwirkende: Anne-May Krüger, Sopran; Christian Dierstein, Perkussion; Basia Wehinger, Bewegungscoach/Choreographie; Oliver Fenk, Technik/Produktion; Viktor Barcelo, Karim Bingöl, James Leadbeater, Leonard Marjanovic, Sebastian Rohner, Michel Roth, Mikolaj Rytowski, Rieke Volkenandt,Zora Weidkuhn, Kaja Marina Weiss, Basia Wehinger, Bewegungskünstler
Ort: Im Wald
Mischa Käser: «Paesaggio opera»
Für neun ausgesteuerte, klingende Kostüme, Sopran und Akkordeon
Kompositionsauftrag Festival Rümlingen 2017/18, Uraufführung
Gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftungn
Die Kostüme werden in einem Waldstück dergestalt aufgestellt, dass sie mehr darstellen als nur ein Stück Stoff. Jedes ausgesteuerte Kostüm erzählt die Geschichte einer «ausgesteuerten» Sängerin.
In jedem Kostüm ist ein Tonband mit Opernfragmenten hörbar (sehr leise, wie ein Windesrauschen).
Die Sopranistin und die Akkordeonistin spielen neun kurze Bearbeitungen von neun
Opernarien. Diese gehören allesamt zum Repertoire der Solistin.
Zwischen allen Arien (die kaum länger als eine Minute dauern) muss eine Pause von ca. 30–60 Sekunden erklingen, in der man das «Rauschen» der Kostüme hören kann.
Aus folgenden Opern wurden Arien bearbeitet: Alban Berg: «Wozzeck», Marie, 3. Akt, 1. Szene
Georges Bizet: «Carmen», Arie der Carmen, 3. Akt
Benjamin Britten: «Peter Grimes», Ellen: Embroidery-Arie, 3. Akt
Antonín Dvořák: «Rusalka», Arie der Rusalka, 1. Akt
Leoš Janáček: «Katja Kabanowa», Szene der Katja, 1. Akt, Verwandlung
Wolfgang Amadé Mozart: «La clemenza di Tito», Arie der Vitellia, 1. Akt, 2. Szene
Arnold Schönberg: «Erwartung», aus der 1. Szene (Fragment)
Ambroise Thomas: «Mignon», Arie der Mignon, 1. Akt Nr. 4
Piotr Tschaikowski: «Eugen Onegin», Briefszene Tatjana, 1. Akt, 2. Szene
Die Bearbeitungen der Opernarien sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Von einer rein harmonischen Bearbeitung bis zur totalen Unkenntlichkeit. Geboren wurden die Ideen der Bearbeitungen aus der für eine Oper völlig ungewohnten Umgebung – der Geborgenheit und Verlorenheit des Waldes.
Am 1.1.1959 geboren in Zürich.
1959 speziell im Weinbaugebiet Bordeaux ein ausserordentlich guter Jahrgang.
1963 ich verliebe mich in meine Tante und erlebe das erste grosse Liebestrauma.
1963 die letzte Seegfrörni am Zürichsee und ich mit meiner Mutter auf dem Eis.
1978 –1985 diverse Musikstudien (Gitarre, Komposition, Laute) und immer mit Kopfweh aus der Analysestunde gekommen.
2010 Familiengründung – die Art des Komponierens verändert sich von rauschhaft
zu pausendurchsetzt, was mir grosse Probleme bereitet. Auf der anderen Seite das Glück mit der Familie.
Neben Komposition beschäftige ich mich mit meiner Stimme, als Vokalist beim
Trio III-VII–XII. Am liebsten schreibe ich für Stimmen und Musiktheater. Theaterunterricht am Gymnasium. Berge und einsame Landschaften, Vögel und Alpenblumen, Tennis und Fussball. Freundschaften und Alleinsein.
Mitwirkende: Eva Nievergelt, Sopran; Olivia Steimel, Akkordeon; Wisi Nauer/Daniel Bütler, Kostümgestaltung/Bühne
Ort: Auf einer Lichtung